Fridays for Future: Signatur einer Bewegung

Schülerproteste in Frankfurt am Main. Foto: Andrea Kreisel / Info3 Verlag

Die junge Schwedin Greta Thunberg hat mit ihrem Schulstreik für das Klima die weltweite und wachsende Bewegung Fridays for Future in Gang gebracht. Rund um den Globus wird jeden Freitag gestreikt und demonstriert. Info3 war in Frankfurt mit dabei.

Das Ziel: Stopp der Kohleemissionen und Rettung des Planeten. Das Credo: Welchen Wert hat Bildung, wenn sie nicht einer besseren Zukunft dient? Diese Frage hat eine doppelte Stoßrichtung: Sie deutet einerseits auf die Unglaubwürdigkeit einer Politik, welche die eindeutigen Ergebnisse der Klimaforscher nicht zum Anlass nimmt, eindeutige Entscheidungen zu treffen. Sie stellt andererseits den Wert von Schulbildung für eine Zukunft in Frage, die es möglicherweise nicht geben wird, weil ihr infolge der Klimakrise die Existenzgrundlage entzogen ist. „Wenn ihr eure Hausaufgaben macht, machen wir unsere“ – so ein Banner der DemonstrantInnen in Frankfurt.

Organisiert wird die Frankfurter Fridays for Future- Aktion von einer Gruppe SchülerInnen, die sich über die Sozialen Medien zusammengefunden haben und austauschen. Wie an vielen anderen Orten auf der Welt wird in Frankfurt nicht lediglich gestreikt, sondern lautstark demonstriert. Die angemeldete und von der Polizei eskortierte Demonstration mit rund 300 TeilnehmerInnen schlängelt sich über zwei Stunden durch die Frankfurter Innenstadt, vorbei an der Alten Oper und quer durch das Bankenviertel. Ein kleiner Abstecher zu einem städtischen Gymnasium gehört mit zur Route, dort findet auf dem Pausenhof eine Kundgebung statt. SchülerInnen, die nicht streiken, sondern dem Unterricht folgen, haben Logenplätze.

Streik oder Schule?

Die gesetzliche Schulpflicht verbietet eigentlich die Teilnahme, doch Not macht erfinderisch. Da gibt es eine Kunstlehrerin, die Dokumentarfotografie zum Unterrichtsthema erhoben hat, eine Grundschullehrerin, die im Rahmen eines Schulprojektes zum Umweltschutz mit ihren Viertklässlern bei der Demonstration mitläuft und dafür das schriftliche Einverständnis der Schulleitung sowie aller Eltern eingeholt hat. Verkehrserziehung lässt sich in diesem Rahmen, so erfahren wir, ebenfalls partiell einbinden, bei den Größeren sind es Projekte aus dem Powi- oder Ethikunterricht. Eine Schülerin der elften Klasse, die aus dem Landkreis Limburg/Weilburg angereist ist, beschäftigt sich mit einem Vergleich der Protestbewegungen Fridays for Future und der Gelbwesten. Ein Kaleidoskop von redlichen Motiven – wer hier demonstriert, hat sich Gedanken gemacht, was er oder sie riskiert, was laut gesagt werden darf, was besser nicht. Manche möchten sich nicht äußern, vermummt ist niemand, aber ohne Mimikry geht es nicht. Anpassung schützt, schürt womöglich jedoch auch die Wut:  „Friss Tofu, du Würstchen“ – sagt das Schild einer Demonstrantin. Lautstark und ziemlich aggressiv wird im Wechsel zwischen Leader und Chor skandiert: „What do we want?“ „Climate Justice“ „When do we want it?“ „Now!“ – und zum Abschluss des rauen Wortwechsels ein „Danke“ und chorisches „Bitte“ – so höflich wie wütend, eine Legierung, die für diesen Jugendprotest symptomatisch erscheint und nicht leicht einzuordnen ist.

Polarisierung oder Solidarität?

„Ich möchte, dass meine Kinder noch die Sonne sehen können“, sagt eine Aktivistin. Denn das sei ja heute bereits in manchen Städten auf der Welt nicht mehr möglich. Sie fügt hinzu: „Die Politiker und Erwachsenen sollen endlich ernst machen. Denn wir müssen ja später deren Renten bezahlen.“ Die Zugrichtung ist eindeutig: Macht nicht unsere Zukunft kaputt, denn wir sind für eure Zukunft nicht ganz unerheblich. Im Bankenviertel treffen wir auf die Gegenperspektive: „Kindergarten“, sagt ein Banker zu der Aktion, die er aus deutlicher Distanz vorbeiziehen lässt. Der Freak, der auf dem Fahrrad mit einem linkisch improvisierten Schild in der Hand – „Kein Kinderspektakel. Das ist unser aller Verantwortung“ – den Zug der SchülerInnen begleitet, dürfte wohl mitgemeint sein.

Deutlich bringen diese Jugendlichen zum Ausdruck, dass die Elterngeneration nicht länger ihr Vorbild ist. Das verbindet sie mit früheren Generationen des Protests. Was sie von diesen trennt, ist, dass hier sehr bestimmt und auch einladend für und nicht gegen etwas gekämpft wird. Augenfällig ist auch, dass diese Generation jünger ist als vorherige Jugendprotestbewegungen. Kaum ein Teilnehmer ist älter als 16, 17 Jahre, die Jüngsten sind keine zehn Jahre alt. Dies ist kein Studentenprotest, sondern eine Schülerbewegung, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. „Leute, lasst das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein.“

Eine aktuelle Übersicht zu geplanten Aktionen gibt es hier:

Über den Autor / die Autorin

Silke Kirch

Dr. Silke Kirch ist promovierte Geisteswissenschaftlerin, Lebens- und Sozialkünstlerin und lebt in Frankfurt am Main.