Mai 2018 Zeitschrift Info3

Die Angstprediger: Eine Chronologie des Dammbruchs

Liane Bednarz: Die Angstprediger. © Droemer - Info3 Verlag 2018
Liane Bednarz: Die Angstprediger. © Droemer - Info3 Verlag 2018

Die Publizistin Liane Bednarz verfolgt seit Jahren die Radikalisierung von Teilen der konservativen Szene in Deutschland. – Rezension: Die Angstprediger

Bednarz’ Hauptinteresse richtet sich vor allem auf Entwicklungen in den beiden Kirchen und die dazugehörigen publizistischen Stimmen. Die Bedeutung ihrer Arbeit geht aber über diesen an sich schon wichtigen gesellschaftlichen Ausschnitt hinaus. Anhand vielfältiger Beispiele aus Printmedien und den Verzweigungen des Internets rekonstruiert sie eine wachsende Opposition gegen die offene Gesellschaft und das Aufkommen eines aggressiven Vokabulars. Kennzeichnend dafür sind beispielsweise die Rede von „Überfremdung“ und „Bevölkerungsaustausch“, die Warnungen vor „Gender-Wahn“ und „Political Correctness“ sowie das Entstehen einer dreisten „Widerstandsrhetorik“, welche das Andenken der Weißen Rose und des 20. Juli mit populistischen Positionen zu besetzen sucht.

Bednarz erinnert an die unselige Eisbrecher-Rolle von Thilo Sarazin im Jahr 2011 und an den anschließenden Aufstieg von Pegida und AfD durch Anti-Islam-Demagogie und Flüchtlings-Hysterie. Ein fast paradigmatischer Vertreter der neuen Rechten unter Christen ist der gläubige Katholik Götz Kubitschek. Die Autorin zitiert den umstrittenen Chef des Antaios Verlags mit den Worten: „Wahrhaft christlich bekäme die Verteidigung des Abendlandes eine ganz andere geistige Wucht“. Bednarz verfolgt auch, wie von rechtsgerichteten Kirchenvertretern und Publizisten, Evangelikalen und Lebensschützern mit den Reizthemen Homosexualität oder der „Ehe für alle“ ein Klima der Intoleranz aufgebaut wurde und wird. Ihr bedrückendes Fazit: Gerade in gewissen christlichen Milieus haben sich inzwischen „Gegenkulturen“ gebildet, die eigentlich christliche Werte wie Nächstenliebe und Hilfe für Schwache konterkarieren.

Durch die Fülle an symptomatischen Belegen für die Radikalisierung des Diskurses, die von Publikationen wie der „Jungen Freiheit“ über „Tichys Einblick“ bis hin zu Medien wie dem „Cicero“ oder der „Weltwoche“ reichen, sind „Die Angstprediger“ ein hilfreiches Kompendium zur Bewahrung des Überblicks. Künftige Historiker haben mit diesem Buch eine Chronik des Dammbruchs zur Verfügung, welche die erschreckende Eskalation des Denkens und Sprechens vormals bürgerlicher Kreise minutiös festhält.

Liane Bednarz: Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern. Droemer 2018, € 16,99.

 

 

Über den Autor / die Autorin

Jens Heisterkamp

Jens Heisterkamp, geboren 1958 in Duisburg, wuchs im Ruhrgebiet auf. Er studierte an der Ruhruniversität Bochum Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie und wurde 1988 zum Dr. phil. promoviert. Nach der Begegnung mit der Anthroposophie lernte er während seines Zivildienstes die Heilpädagogik kennen und arbeitete als Dozent in der Erwachsenenbildung, kurzzeitig auch als Waldorflehrer, dann als Herausgeber und Autor. Seit 1995 ist er verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift info3 sowie Verleger und Gesellschafter im Info3 Verlag in Frankfurt am Main. Seine Themen sind Dialoge in Religion, Philosophie und Spiritualität, Offene Gesellschaft, Ethik.

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