IPCC-Bericht warnt vor Food-Crash durch Klimakrise

Foto: SEKEM

Der dramatische Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) zur Bedrohung der Lebensmittelsicherheit hat zu Recht ein starkes Echo hervorgerufen. Umsteuern tut not. Aber auch unser technokratisches Denken muss sich ändern, wenn wir die Erde als unseren Lebensschauplatz erhalten wollen.

Riskieren wir als Menschheit gerade die Möglichkeit, in absehbarer Zeit noch weiter auf dieser Erde zu leben? Es sieht ganz so aus. Nach immer neuen Fakten über steigende globale Temperaturen, schmelzendes Eis und auftauende Permafrostböden hat nun der Weltklimarat (IPCC) einen dramatischen Appell veröffentlicht, wonach die konventionelle Landwirtschaft unsere Lebensmittelversorgung gefährdet. Rund 23 Prozent der für die Klimakrise verantwortlichen Treibhausemissionen gehen auf sie zurück – mit fatalen Rückwirkungen auf die Welternährung. Deshalb muss die Art unserer Nahrungsmittelproduktion weltweit radikal auf nachhaltige Verfahren umgestellt werden, fordern die Wissenschaftler aus mehr als 70 Staaten.

Ein System des Irrsins

Drei herausgehobene Fakten des Berichts unterstreichen, wie sehr wir es bei der gegenwärtigen Nahrungsmittelproduktion mit einem globalen Irrsinns-System zu tun haben:

  • Seit 1961 hat sich die produzierte Menge an Fleisch und Pflanzenölen pro Kopf auf Kosten von Bodenverlusten, Wasserknappheit und unethischen Tier-Haltungsbedingungen mehr als verdoppelt;
  • 25 bis 30 Prozent aller so erzeugten Nahrungsmittel werden verschwendet statt verzehrt;
  • etwa zwei der über sieben Milliarden Menschen auf der Erde sind inzwischen übergewichtig (bei immer noch über 800 Millionen Unterernährten).

Wenn das nicht kollektiver Wahnsinn ist, was dann?

Bio zeigt wie’s geht

Der IPCC-Bericht bestätigt aber im Wesentlichen nur, was Demeter- und Bio-Praktiker bereits seit Jahrzehnten wissen: konventionelle Landwirtschaft verstärkt die Erderwärmung, macht Böden unfruchtbar und führt zwangsläufig zum „Foodcrash“ (Felix zu Löwenstein). „Zum Schutz unseres Klimas muss die Politik endlich die überfällige Agrarwende vollziehen sowie Wälder weltweit vor Abholzung schützen und nachhaltig nutzen“, sagt deshalb BUND-Sprecher Christian Rehmer.

Schon lange fordert auch der Demeter-Verband Maßnahmen, Bäuerinnen und Bauern beim Umbau hin zu klimaschonendem Ackerbau und artgerechter Tierhaltung zu unterstützen. Sprecherin Antje Kölling sagte beispielsweise im Frühjahr in einem „Notruf“ der Farmers for Future : „Die EU-Agrarzahlungen müssen in Gänze auf eine klimaschonende, umweltschonende und tiergerechte Landwirtschaft ausgerichtet werden.“ Rein gar nichts verstanden hat indessen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die angesichts des IPPC-Berichts auf Möglichkeiten verwies, konventionelle Landwirtschaft durch mehr Digitalisierung „noch effektiver“ zu machen. – Hätten wir stattdessen, wie es Bio- und Biodynamisch seit langem vormachen, immer schon das Wohl der Erde, der Pflanzen, der Tiere und nicht zuletzt der Menschen selbst im Blick gehabt statt des Profits, wäre die gegenwärtige Krise erst gar nicht entstanden.

Biolandbau bindet CO2 im Boden

Wie biologischer und biodynamischer Landbau konkret hilft, die Erderwärmung zu mindern, darauf hat der UN-Klimabotschafter Helmy Abouleish von der ägyptischen Sekem-Initiative immer wieder hingewiesen, die gerade gegenwärtig als Leuchtturmprojekt wahrgenommen wird. Denn die biologische Kompostwirtschaft trägt über die Bodenverbesserung hinaus dazu bei, Wasser einzusparen und CO2 im Boden zu binden. Abouleish betont aber auch, „dass es nur eine nachhaltige Anpassung an den Klimawandel geben kann, wenn Entwicklung ganzheitlich gefördert wird – Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur gleichermaßen.“

Bewusstseinswandel nötig

Deshalb ist die biologische Umstellung der Nahrungsmittelproduktion zwar ein wesentlicher, aber leider allein noch nicht ausreichender Schritt, die drohende Katastrophe abzuwenden. Auch die Bereiche Energie, Mobilität und industrielle Massenproduktion gehören auf den Prüfstand. Und, was oft übersehen wird: auch unsere herrschende Mentalität. Es muss sich unsere technokratische Art ändern, die Erde lediglich als „Ressource“ zu betrachten und es muss verhindert werden, nun auch den Naturschutz auf reine Nützlichkeit herunterzubrechen. Ausgehend von der Landwirtschaft geht es vielmehr darum, eine Idee des Organischen zu fassen, die Erde mit allen Lebewesen als ein „atmosphärisches“ Phänomen denken zu lernen, als ein Lebewesen, wie es beispielsweise der Autor Stefan Ruf in der Zeitschrift info3 dargestellt hat. Nur durch einen Bewusstseinswandel, der das herrschende wissenschaftlich-industrielle Denken überwindet, werden wir die richtigen Antworten auf die Herausforderung des Klimawandels finden.

Über den Autor / die Autorin

Jens Heisterkamp

Jens Heisterkamp, geboren 1958 in Duisburg, wuchs im Ruhrgebiet auf. Er studierte an der Ruhruniversität Bochum Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie und wurde 1988 zum Dr. phil. promoviert. Nach der Begegnung mit der Anthroposophie lernte er während seines Zivildienstes die Heilpädagogik kennen und arbeitete als Dozent in der Erwachsenenbildung, kurzzeitig auch als Waldorflehrer, dann als Herausgeber und Autor. Seit 1995 ist er verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift info3 sowie Verleger und Gesellschafter im Info3 Verlag in Frankfurt am Main. Seine Themen sind Dialoge in Religion, Philosophie und Spiritualität, Offene Gesellschaft, Ethik.